Musik Qu Xiao-Song (* 1952 in Guiyang, Provinz Guizhou, Südwestchina)
Libretto Wu Lan und Qu Xiao-song · Musikalische Leitung Rüdiger Bohn · Regie Sabrina Hölzer · Ausstattung Etienne Pluss · Produktionsleitung Andreas Rochholl
Zhuang Zhou, Geschichtenerzähler (Bass) Gong Dong-jian · Prinz Chu, Geschichtenerzähler (männliche Rolle aus der Kunqu-Tradition) Shi Xiao-mei · Tian, die Frau des Zhuang Zhou (Sopran) Wu Bi-xia · Schamane (Rolle aus der Qin Qiang-Tradition) Kang Jian-hai
Orchester: Chin. Flöte, Pipa, Sheng, Guzheng, Perc (3), 2 Vl, 2 Va, 2 Vc, Kb
Uraufführung: 13. Mai 2004 Münchener Biennale, weitere Aufführungen im Hebbel am Ufer
Weitere Infos im Programmheft
In die Fremde führt Qu Xiao-songs Oper gleich doppelt: Sie spielt im Reich der Toten und sie führt in die Welt des chinesischen Theaters und seiner Traditionen. Qu und Wu Lan wählten einen klassischen chinesischen Opernstoff zur Grundlage für ihr Werk. Die Fabel wurde im Reich der Mitte in unterschiedlichen Versionen unter verschiedenen Titeln (Die Blütenhalle, Der Sarg in Splittern, Der Schmetterlingstraum) verbreitet. Sie stammt aus der Tradition des Kunqu-Theaters, das im Süden Chinas, in Suzhou, ungefähr 200 km westlich von Shanghai, seinen Ursprung hatte. Kunqu repräsentierte die verfeinerte Kunstform des chinesischen Theaters, das galt für die literarische Qualität der Stücke, für die Darstellungskunst und für die Musik, in der Saiteninstrumente und Bambusflöten bevorzugt wurden. Das Stück spielt im alten China, in der Zeit der Streitenden Reiche (472–221 v. Chr.). Im Mittelpunkt der Geschichte von Liebe und Tod stehen Zhuang Zhou (369–286 v. Chr.), der auch respektvoll „Zhuangzi“ (Meister Zhuang) genannt wurde, ein Exponent des Daoismus, und seine Frau, Mme. Tian.
Der Inhalt
Auf dem Weg nach Hause – oder im Traum? – gerät Zhuang Zhou in die Unterwelt. Der König des Totenreichs empfängt ihn und eröffnet ihm, dass seine Zeit noch nicht abgelaufen, seine Sinne noch nicht rein und er deshalb noch nicht zur Erleuchtung fähig sei. Auf Zhuangs zweifelnde Rückfrage fordern die Gerippe berühmter Denker und Regenten den unerwarteten Gast zu einem Versuch auf. Er sieht eine junge Frau, die vor einem frischen Grab kniet und es befächelt. Die chinesische Sitte verlangte von Frauen, nach dem Tod ihres Mannes durch ein Leben in Enthaltsamkeit das Lob der Nachbarn, die Achtung der Gemeinde und schließlich den „Ehrenbogen“ zu erlangen. Auf Zhuangs Frage, was sie tue, antwortet die junge Frau, ihr Mann habe ihr noch im Sterben geraten: „Wenn das Begräbnis vorbei und meine Grabstätte getrocknet ist, suche dir einen neuen Liebhaber.“ Um der quälenden Einsamkeit möglichst schnell zu entkommen, beschleunige sie das Trocknen des Grabes. Zhuang, irritiert über die Ungeduld des Vergessenwollens, beschließt, seine Frau Tianshi auf die Probe zu stellen. Er simuliert sein Begräbnis, schickt den gut aussehenden Chu Wangsun als seinen Schüler zu Mme. Tian, um sie zu trösten, mit Lehren und „letzten Worten“ Zhuangs zu überreden, sie mit Liebenswürdigkeiten zu umgarnen und schließlich den Anfall einer Krankheit vorzutäuschen, die nur durch Menschenhirn, sprich: durch eine Schändung von Zhuangs Leiche zu heilen wäre. Der Epilog in Qu Xiao-songs Oper deutet die enge Verschränkung von Wirklichkeit und Traum, von Realität und inszeniertem Spiel, man könnte auch sagen: von Kunst und Leben, von Identität und Nicht-Identität an. Die Grenzen verwischen. Die Szene gleicht dem Prolog, in dem Zhuang Zhou die Unterwelt betrat, die Gerippe der Berühmtheiten aus alter Zeit traf und die erste Grenze durchbrach: Er erkannte die Nichtigkeit des Ruhms. Im Epilog durchbrach er eine zweite Grenze: Er erkannte die Nichtigkeit von Liebe und Leben.
Musikrechte: Peermusic
Koproduktion mit der Münchener Biennale und dem Hebbel am Ufer Berlin – gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur – mit Unterstützung des Berliner Künstlerprogrammes des DAAD